Zeitzeugenbesuch am Hans-Leinberger-Gymnasium
Unsere Schule liegt in der „Jürgen-Schumann-Straße“ in „Landshut“. Das wissen die meisten natürlich und das ist für uns auch völlig normal. Allerdings gibt es einige Menschen, die mit diesen beiden Namen eine äußerst drastische Erfahrung verbinden.
Am 13. Oktober 1977 wurde die Lufthansa-Maschine „Landshut“ von Terroristen entführt, um eine Freilassung der inhaftierten RAF-Terroristen in Deutschland zu erpressen. Am 16. Oktober 1977 wurde der Lufthansakapitän Jürgen Schumann an Bord der Boeing 737 erschossen. Deshalb wurde unsere Straße in Landshut nach ihm benannt. Auf den Tag genau 47 Jahre danach haben Schülerinnen und Schüler diesen Zusammenhang aus erster Hand erfahren und vor allem auch, was sich zwischen dem 13. und 18. Oktober 1977 an Bord der "Landshut" ereignet hatte. Im Rahmen ihres Besuches in der Stadt Landshut und vor ihrem Eintrag ins goldene Buch der Stadt erzählten die Zeitzeugen in unserer Bibliothek von ihren Erinnerungen.
Gabriele von Lutzau bemerkte damals als Stewardess sehr schnell, dass es sich um eine Entführung handeln musste. Wegen ihrer guten Englischkenntnisse musste sie die wirren Durchsagen des Kommandanten der Entführer übersetzen und versuchte, so gut es irgendwie ging, die Passagiere zu beruhigen und sie heimlich mit Informationen zu versorgen. Sie sah dies als ihre Pflicht an, war sich aber auch sehr bewusst darüber, dass sie damit womöglich ihr Leben aufs Spiel setzt.
Diana Müll war als junge Passagierin an Bord und auf der Heimreise von einer gewonnenen Reise nach Mallorca. Um ein Haar hätte sie den Flug verpasst, da sie mit ihren Freundinnen eigentlich zu spät am Gate erschienen war. Sie überredete damals die Mitarbeiter, dass sie doch noch einsteigen durfte. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie dadurch fünf Tage lang in die brutalen Hände von Terroristen geraten und nur in allerletzter Sekunde ihrer Erschießung entgehen sollte. Diese Schilderungen der Zeitzeuginnen gingen allen Zuhörerinnen und Zuhörern sehr unter die Haut und es wurde deutlich, dass solche Erlebnisse nicht verblassen, sondern auch nach bald 50 Jahren noch immer sehr präsent sind.
Aribert Martin ergänzte diese Erlebnisse aus der Sicht des Befreiungskommandos der GSG9, dem er damals angehörte. Er berichtete von seiner Mannschaft, dem Vorgehen auf dem Rollfeld in Mogadischu und seinen persönlichen Eindrücken von den Zuständen in und um die Maschine. Auch er erinnert sich an den Gestank, die katastrophalen hygienischen Verhältnisse und die Bedenken, ob die Terroristen das Flugzeug im Moment der Befreiung nicht doch in die Luft sprengen würden. Glücklicherweise gelang aber die Befreiungsaktion und die Geiseln konnten lebendig gerettet werden. Drei der vier Entführer wurden durch Schüsse getötet.
Trotz oder gerade wegen der Dramatik dieser geschilderten Ereignisse war es kaum zu bemerken, dass sich der Besuch über ganze drei Schulstunden erstreckt hatte und die Aufmerksamkeit war bis zum Schluss ungebrochen. Viele Fragen, aber natürlich bei weitem nicht alle, konnten im Rahmen der gegebenen Zeit gestellt werden und wurden offen und ehrlich von unseren Gästen beantwortet. Auch die eine oder andere Diskussion konnte sich so entfalten, was ein weiteres Zeichen für die vertrauensvolle und offene Atmosphäre dieser Veranstaltung war. Im Nachgang wurde in den Klassen noch weiterdiskutiert und alle waren sich einig, dass dieser Besuch sicher in Erinnerung bleiben wird. Sehr schade war, dass der Copilot von damals, Jürgen Vietor, leider erkrankt war und uns nicht besuchen konnte. Er hat aber versprochen, dass er sich sicher bei uns melden wird, wenn er mal wieder nach Landshut kommen sollte.
Andreas Kaiser