Vortragsabend: „Jugend in Landshut während der Zeit des Nationalsozialismus“
Am Abend des 27. Januar 2025, dem 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, kamen gut einhundert interessierte Gäste in die Mensa des Hans-Leinberger-Gymnasiums, um der Geschichte unserer Schule und den damit verbundenen Menschen in den Jahren des Nationalsozialismus zu gedenken. Herr Dr. Mario Tamme, stellvertretender Leiter des Stadtarchives Landshut und ausgewiesener Spezialist für dieses Thema, konnte durch eine Initiative von Schülerinnen und Schülern dafür gewonnen werden, Informationen und Biografien in einem Vortrag zu präsentieren, die in Verbindung mit unserer Schule stehen.
Es gelang ihm eindrucksvoll, das Thema „Jugend in Landshut im Nationalsozialismus“ durch viele konkrete Beispiele, Abbildungen und Biografien so anschaulich zu machen, dass manche Episoden den Gästen lange im Gedächtnis bleiben dürften. Beispielhaft dafür steht das schwere Schicksal des jüdischen Schülers Max Ansbacher (1921-1942), dessen Familie Selbstmord beging, um der Deportation und ihren Folgen zuvorzukommen. Er und sein Bruder allerdings taten dies nicht und wurden schließlich 1942 deportiert und ermordet. Mehrere Stolpersteine erinnern heute vor dem Haus Seligenthalerstraße 60 an ihn und seine Familie.
Ebenfalls zu leiden hatte sicher Fritz Becker (1922-2017), der als Halbjude von Ausgrenzung und Diskriminierung betroffen war und nur durch eine Ausnahmeregelung durch den damaligen Schulleiter zu einer Mittleren Reife gekommen ist. Leider schaffte er es nicht, seine Geschichte noch zu Lebzeiten genauer zu erzählen.
Ein sehr prominentes Beispiel eines ehemaligen Schülers der damaligen „Oberrealschule“ war schließlich Fritz Koenig, der wegen des Militärdienstes vorzeitig die Schullaufbahn beenden musste und seine traumatischen Erlebnisse in vielfacher Weise künstlerisch umgesetzt und verarbeitet hat. Besonders intensiv zeigt dies sein Selbstbildnis „Selbst - Rußland 1943“, das den eigentlich jungen Mann als schwer gezeichnetes und gealtertes Individuum zeigt. In den Gesichtszügen spiegeln sich deutlich seine traumatischen Fronterfahrungen.
Unter diesem Licht betrachtet, zeigen die im Vortrag hauptsächlich fotografisch dokumentierten Aktivitäten der HJ und des BDM in Landshut ihre klare Absicht, die jungen Menschen im Sinne der NS-Ideologie zu formen um sie später für den Krieg missbrauchen zu können: Motorradfahren, Modell- und Segelflug, Geländespiele, körperliche Ertüchtigung, und – sogar in Landshut – Marineübungen zielten darauf ab, Erfahrungen und Kenntnisse zu sammeln, die die Mädchen zu NS-Müttern und die Jungen zu Soldaten machen sollten. Auch ging es stets darum, das Recht des Stärkeren zu trainieren und zu fördern. Die Schwachen sollten dabei bewusst unter die Räder kommen. Auch die Schule leistete dazu ihren Beitrag, wenn zum Beispiel in den Abituraufsätzen des Jahres 1936 Themen folgender Art gestellt wurden: „Was ist richtig: Jedem das Seine oder jedem das Gleiche (Ich entwickle von dieser Frage aus an einem Heimatabend vor meiner Kameradschaft die Grundzüge des Nationalsozialismus)“.
Dieser Blick auf unsere Geschichte zeigte einmal mehr, dass die Projekte, Aktionen und nicht zuletzt der Unterricht im Bereich der Politischen Bildung, für den gegenseitigen Respekt und eine gelebte Toleranz ein ganz zentraler Auftrag an uns als Schule und Gesellschaft sind. So bleibt das „Nie wieder!“ aus Buchenwald auch ein Auftrag an die kommenden Generationen und fest in die Identität unserer demokratischen Gesellschaft eingeschrieben.
Andreas Kaiser